Das Fettgewebe ist metabolisch hoch aktiv und produziert, proportional
zur Menge der Fettzellen, verschiedenste hormonell aktive Substanzen.
Diese Mediatoren werden angeschuldigt, die Entstehung der typischen
Zivilisationskrankheiten zu fördern.
Die Mechanismen, die bewirken, dass Übergewicht ein Risikofaktor für
die Entwicklung chronischer Krankheiten wie des Diabetes mellitus oder
der koronaren Herzkrankheit darstellt, sind bisher nicht im Einzelnen
bekannt. Heute weiss man aber - entgegen früheren Theorien -, dass das
Fettgewebe keine inerte Masse darstellt. Die Fettzellen sind im
Gegenteil hoch aktiv und produzieren verschiedenste Hormone und
Mediatoren wie beispielsweise Leptin, Zytokine oder Angiotensinogen,
die unter anderem den Blutdruck, die Verteilung der Blutfette sowie
den Blutzuckerspiegel beeinflussen. Angiotensinogen beispielsweise,
eine der wichtigsten gefässverengenden Substanzen, ist eine der
Ursachen des typischerweise bei Übergewicht beobachteten
Bluthochdrucks. Dieser wiederum erhöht das Risiko, ein
Herz-Kreislauf-Leiden zu entwickeln. Da zwischen der Konzentration
dieser Fettgewebehormone und der Masse des Fettgewebes eine lineare
Beziehung besteht, sollte es Ziel sein, ein Zuviel an Fettgewebe zu
vermeiden.
Entsprechend vermag eine bleibende Gewichtsreduktion von nur wenigen
Kilogramm den Blutzuckerspiegel oder den Blutdruck schon deutlich zu
verbessern. Allerdings haben mehr als 80 Prozent der übergewichtigen
Patienten bereits wenige Monate nach einer Diät ihr ursprüngliches
Gewicht wieder erreicht - oder wiegen gar noch mehr. Da ausserdem das
Körpergewicht mit zunehmendem Alter kontinuierlich ansteigt, das Alter
aber per se der wichtigste «Risikofaktor» für die Entstehung
chronischer Leiden ist, kommt es zu einem eigentlichen Teufelskreis.
Die amerikanischen «NHANES»-Studien zeigten denn auch, dass das
Diabetes-Risiko übergewichtiger Personen mit jedem zugenommenen
Kilogramm Körpergewicht ansteigt - was über 10 Jahre einer
Verdoppelung des Risikos entspricht, verglichen mit übergewichtigen
Personen, deren Körpergewicht konstant bleibt. Dagegen führte die
jährliche Reduktion des Körpergewichts um ein Kilogramm (entsprechend
einem täglichen Kalorien-«Defizit» von rund 20 Kalorien) in demselben
Zeitraum zu einer Verminderung des Diabetes-Risikos um ein Drittel.
Aber auch die Gefahr, ein anderes chronisches Leiden wie
beispielsweise eine koronare Herzkrankheit zu entwickeln, wird durch
Veränderung bzw. Stabilisierung des Gewichts erheblich beeinflusst. So
haben Berechnungen gezeigt, dass die Last durch chronische Krankheiten
vernachlässigbar klein wäre, wenn es allen Personen einer Bevölkerung
gelingen würde, das Gewicht wenigstens auf dem aktuellen Niveau - und
zwar unabhängig vom jeweiligen Gewicht - zu halten. Dass dieses
Szenario leider illusorisch ist, belegt eine Studie der Lungenliga
Zürich mit mehr als 30 000 im Kanton Zürich wohnhaften Personen, die
zwischen dem 20. und dem 60. Lebensjahr durchschnittlich gut 10
Kilogramm zulegten - was einer positiven Energiebilanz von kaum 5
Kilokalorien pro Tag entspricht! Diese Berechnung, wenn auch nicht
ganz korrekt, macht doch deutlich, dass die oben erwähnte
Gewichtszunahme theoretisch durch einen minimalen täglichen
Energieüberschuss bedingt ist und somit problemlos kompensiert werden
könnte; am erfolgversprechendsten mit einer Kombination von vermehrter
körperlicher Aktivität (z. B. konsequentem Treppensteigen) und
geringfügig weniger Nahrung (z. B. kleinere Portionen oder längere
Abstände zwischen den Mahlzeiten).
Der körperlichen Aktivität kommt dabei eine noch grössere Bedeutung zu
als der Gewichtsreduktion. Denn einerseits erhöht sich dadurch der
Energieverbrauch, andererseits erreicht man so einen Zustand der
«metabolischen Fitness»: die Blutzucker- und Insulinspiegel werden
gesenkt und die Blutfettwerte verbessert, was vor allem der Gesundheit
des Herz-Kreislauf-Systems zuträglich ist. Entsprechend hat eine
übergewichtige, jedoch körperlich aktive Person ein günstigeres
Risikoprofil als eine zwar 5 bis 10 Kilogramm leichtere, dafür jedoch
körperlich träge Person.
Paolo M. Suter, Privatdozent für Innere Medizin an der Universität
Zürich und Leiter der Hypertonie-Sprechstunde der Medizinischen
Poliklinik des Universitätsspitals.